Cartothèque

27. Januar 2019

 
Titel: „Hallo, Polizei? Ich möchte einen Vorfall melden…“ - Polizeigewalt gegen Gelbwesten
Autoren: David Dufresne und Philippe Rivière, Valentin de Bruyn, Hans Lemuet und Maxime Zoffoli
Datum: 25. Januar 2019
Schlagwörter: #Frankreich #Polizei #Gewalt #Demonstrationen #Repression #Bewaffnung #Small_Multiple
Erschienen bei: Mediapart, unter dem Titel «Allô, Place Beauvau? C’est pour un signalement»
Quelle: Erfassung und Abgleich der Informationen: David Dufresne.
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Zitate : 1. Halten Sie sich von diesen Aufrührern fern. Christophe Castaner, 1.12.18 — 2. Wo sich Gewalt entfesselt, hört die Freiheit auf. Emmanuel Macron, 10.12.18 — 3. …entschlossen, die Ordnung wiederherzustellen… Édouard Philippe, 24.12.18 — 4. Ich kenne keinen Polizisten, der Gelbwesten angegriffen hätte. Christophe Castaner, 14.1.19

Dieses Small Multiple zeigt, Woche für Woche, das Ausmaß der Gewalt der Polizei gegen die Gelbwesten. Seit November 2018 prangern diese die herrschende Klasse hinter Präsident Emmanuel Macron an, die für die Bevölkerung nur Verachtung übrig hat, aber auch die hohen Lebenshaltungskosten und Steuern in einem Land, in dem die öffentlichen Dienstleistungen schwinden.

Durch ihre ungewöhnliche Funktionsweise (selbstbestimmte Demonstrationen und Besetzung der Kreisverkehre) hat diese neuartige soziale Bewegung die französische Regierung überrascht. Die Brutalität der Repression zeigt eine vorläufige, aber bereits katastrophale Bilanz, mit Hunderten von Verletzten, davon fast zwanzig Verstümmelte, die ein Auge oder eine Hand verloren haben und eine Tote in Marseille.

Von den 80.000 eingesetzten Polizist*innen und Gendarm*innen, von Premierminister Édouard Philippe zur Anwendung von Gewalt ermutigt, wurden sämtliche Fehler begangen. Die Täter*innen fühlen sich aber von Innenminister Christophe Castaner gedeckt. Die Ausschreitungen von eingeschleusten Randalierer*innen als Vorwand nutzend, bezeichnete er die Demonstrant*innen als „Aufrührer“, die nur „zum Töten kämen“ und ignorierte die Meldungen über unangemessene Gewaltausübung und Unregelmäßigkeiten in den eigenen Reihen.

Schikanen, Provokationen, der systematische Einsatz von Tränengas und, vor allem, der massive und ungerechtfertigte Einsatz von Defence Ball Launcher (LBD) - einer sogenannten „nicht-tödlichen“ Waffe - gegen friedliche Demonstrant*innen, Demo-Sanis oder einfache Passanten haben zu zahlreichen Zwischenfällen geführt, manche mit katastrophalen Folgen. In den Netzwerken kursieren seit Beginn der Revolte schockierende Bilder, von Hunderten von Beobachter*innen (Demonstrant*innen, Journalist*innen, Passant*innen ...) mit ihren Handys aufgenommen.

Der freiberufliche Journalist David Dufresne hat diese Videos und Informationen in seinem Twitter-Feed erfasst und abgeglichen. Er hat nun eine Datenbank dieser Vorfälle (geordnet nach Art der Verletzung, der Waffe usw.) auf Mediapart veröffentlicht.

Es geht darum zu verstehen, wie wir dorthin gekommen sind.

Die Regierung räumt erst seit Ende Januar einige Missstände ein, trägt aber die schwere politische Verantwortung für den Bankrott des französischen Polizeimodells. Wäre das nicht ein gutes Thema für eine landesweite „große Debatte“?

Kartografischer Ansatz

Die einzelnen Karten folgen der Chronologie der „Akten“ (jeden Samstag eine Demonstration) und geben so die Dynamik der Bewegung wieder.

Akt IV am 8. Dezember hat die Champs-Elysees in ein Schlachtfeld verwandelt und die Regierung erschüttert. Viele Teilnehmer*innen, für welche es oft die erste Demonstration war, erlitten ein richtiges Trauma. Die Karte zeigt die Zunahme der gemeldeten Vorfälle in Paris und Umgebung. Auffallend ist, dass es am gleichen Tag im ganzen Land zu ähnlichen Auswüchsen kam.

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Akt III. Eine Tote in Marseille

Die Zitate geben den politischen Kontext wieder: die Dramatisierung der Konfrontation durch den Innenminister, der Paternalismus des Präsidenten, der Entschluß des Premierministers hart vorzugehen und zum Schluss die Leugnung der angewandten Gewalt auf Anweisungen der Präfekturen.

Der minimalistische, gar brutalistische Stil dieser Kartensammlung (mit dem starken Kontrast von Gelb auf schwarzem Hintergrund) soll daran erinnern, dass eine Karte ein Werkzeug ist. Auf der Webseite von Mediapart führt jede einzelne Karte zu einer größeren mit den genauen Angaben über die Ereignisse in jeder Stadt.

Sowohl die Karten als auch die Daten werden automatisch aktualisiert.

↬ Philippe Rivière

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